Breitscheidplatz: Chef von rechtem Netzwerk an Sicherheitsplan beteiligt

Der Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 nach dem Anschlag.

Der Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016 nach dem Anschlag.

Jedes Detail ist zu erkennen. Fast wirkt es so, als sei eine Drohne über das Gelände geflogen und habe Video-Aufnahmen gemacht. Der technisch anspruchsvolle 3D-Scan vom Berliner Breitscheidplatz liefert hochsensible Daten über mögliche Sicherheitsrisiken eines Ortes, der im Dezember 2016 Schauplatz des bislang folgenschwersten islamistischen Terroranschlags auf deutschem Boden war.

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Zwölf Menschen verloren ihr Leben, als der Tunesier Anis Amri mit einem Sattelschlepper in den Weihnachtsmarkt am Fuß der Gedächtsniskirche raste.

Nach Recherchen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) wurde der Scan im Herbst 2018 angefertigt. Er befindet sich auf einem USB-Stick im Besitz der Berliner Landesregierung. Hergestellt wurde er von einer Firma namens „Faro Technologies“ aus Korntal-Münchingen in Baden-Württemberg.

Mitbeteiligt war ein Mann, den die Berliner Sicherheitsbehörden eigentlich hätten kennen müssen: Marco D’Arcangelo (33), Unternehmensentwickler bei Faro - und bis November 2019 Distriktleiter Deutschland von Uniter.

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Uniter soll mit "Hannibal-Netzwerk" verwoben sein

Der Verein Uniter steht in dem Verdacht, Teil des rechtsextremen „Hannibal-Netzwerkes“ zu sein, dem auch der unter Terrorverdacht stehende Bundeswehroffizier Franco A. angehört haben soll. „Hannibal“ war der Online-Benutzername des Bundeswehrunteroffiziers André S., Mitbegründer von Uniter. Seit etwa Herbst 2015 richtete „Hannibal“ als Administrator Chats ein und koordinierte sie.

Die Teilnehmer bereiteten sich auf einen Zusammenbruch der Staatsordnung an einem „Tag X“ vor. Dazu gehörten die als rechtsextrem eingeschätzte Gruppe Nordkreuz, Mitglieder des Vereins Uniter, Reservisten, Elite-Soldaten und -Polizisten sowie Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. „Hannibal“ gehörte dem Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw an. Insider berichten von einem harten Kern mit bis zu hundert Mitgliedern und angelegten Waffenlagern

D'Arcangelo war gemeinsam mit "Hannibal" bei der Bundeswehr

Beobachter deuten das Netzwerk als Versuch, eine „Schattenarmee“ aufzubauen und politische Gegner zu töten. D’Arcangelo sagte dem RND, er kenne „Hannibal“ seit 2006. Sie seien zusammen als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr gewesen, zunächst in Altenstadt, später in Lebach und dreimal in Afghanistan.

2017 sei er Uniter beigetreten und zunächst Distriktleiter des Chats Süd gewesen. Im November 2019 sei er, inzwischen Distriktleiter Deutschland, im Streit mit „Hannibal“ ausgetreten. Mit Rechtsextremismus will er nichts zu tun haben. „Davon distanziere ich mich ausdrücklich“, sagte er dem RND.

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Die Berliner Innenbehörde erklärte dem RND, sie sei mit D’Arcangelo nie direkt in Kontakt getreten. 2018 habe man an den national und international anerkannten Zufahrtschutzexperten Christian Schneider den Auftrag erteilt, ein Zufahrtschutzkonzept für den Breitscheidplatz zu erstellen. Schneider habe vor Eröffnung des Weihnachtsmarktes 2018 telefonisch in der Innenbehörde angefragt, ob etwas gegen eine Visualisierung der Schutzmaßnahmen durch einen 3D-Scan spreche.

Der 3D-Scan solle durch eine spezielle 3D-Kameratechnik erfolgen, mit der die Sperrmaßnahmen aufgenommen würden. Anschließend sei dann ein virtueller Rundgang durch die Sperrmaßnahmen möglich.

Ordnungsamt stimmte 3D-Scan zu

„Herr Schneider wurde gebeten, sich hinsichtlich der geplanten Scannung und Visualsierung des Breitscheidplatzes mit dem für die öffentliche Fläche zuständigen Ordnungsamt Charlottenburg-Wilmersdorf in Verbindung zu setzen. Soweit hier bekannt, wurde von dort der Scannung des Platzes zugestimmt“, teilte ein Sprecher des Berliner Innensenators Andreas Geisel (SPD) dem RND mit.

Eine Beauftragung an „Faro Technologies“ oder D’Arcangelo sei nicht erfolgt. „Es bestand und besteht zu keiner Zeit eine Geschäftsbeziehung der Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit Herrn Marco D’Arcangelo oder der Firma Faro Europe GmbH & Co. KG bzw. der Tochterfirma Faro Technologies.“ Schneider habe aber später einen USB-Stick mit einer Kopie des 3D-Scans der Innenverwaltung übergeben, die eine Datei mit der Bezeichnung „Faro Technologies“ enthalten habe.

D’Arcangelo selbst sagte dem RND, es habe eine Genehmigung der Innenbehörde vorgelegen. Faro sei es als einem der führenden Unternehmen in der Sicherheitsbranche darum gegangen, an dem Pilotprojekt beteiligt zu sein.

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Schneider betonte gegenüber dem RND, nichts vom Uniter-Hintergrund gewusst zu haben. Ihm sei das Modell kostenlos angeboten worden. Faro genieße als eines von zwei Unternehmen, die in Europa derartige 3D-Scans erstellen, einen guten Ruf. Zuvor sei Uniter mehrfach an ihn herangetreten mit der Frage, ob er nicht Mitglied werden wolle. Er habe dies jedoch stets abgelehnt.

Auge auf bei der Auftragsvergabe.

Irene Mihalic

Grünen-Innenexpertin

Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic kritisierte das Vorgehen der Berliner Innenbehörde. „Gerade in hochsensiblen Sicherheitszusammenhängen muss es natürlich heißen: Augen auf bei der Auftragsvergabe. Es ist schon beunruhigend, wenn ein führendes Mitglied des Vereins Uniter, der mutmaßlich verwoben ist mit dem ,Hannibal-Netzwerk‘, mit einbezogen ist in derartige sicherheitsrelevante Vorgänge“, sagte Mihalic dem RND.

Sie forderte mehr Sensibilität, auch angesichts der umstürzlerischen Planungen des "Hannibal-Netzwerks". „Es wäre fatal, wenn öffentliche Stellen solchen Netzwerken auch noch die nötigen Daten liefern, die sie für ihre gefährlichen Pläne nutzen können“, sagte die Grünen-Politikerin.

Im Dezember 2018 legten Unbekannte im Gedenken an die Opfer das Anschlages einen Kranz auf dem Breitscheidplatz nieder. Der Kranz trägt das Symbol der Gruppierung Uniter: Kreuz und Schwert, eingelassen in einem Ehrenkranz. „In stillem Gedenken“ steht auf dem schwarzen Gebinde.

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